Seit 15 Jahren gibt es den WIRTSCHAFTSSPIEGEL Thüringen. Das Wirtschaftsmagazin konzentriert sich von Anfang an auf den B2B-Bereich und ist dort Marktführer. Jetzt steht ein Generationswechsel an: Juliane Keith übernimmt den Verlag aus den Händen von Jürgen Meier. Paul-Philipp Braun sprach mit beiden darüber, was das bedeutet.
Herr Meier, wann ging es für den WIRTSCHAFTSSPIEGEL in Thüringen genau los? Jürgen Meier: Im März 2005 erschien die erste Ausgabe.
Was war damals Ihr Ziel, was wollten Sie mit dem Magazin erreichen? Es ging mir von Anfang an um die Kommunikation zwischen Unternehmern. Sie sollten eine Plattform bekommen, um sich untereinander kennenzulernen und gezielt auszutauschen. Tageszeitungen haben ein viel breiteres Spektrum, andere Aufgaben. Das Motto war „Wir schaffen Verbindungen“ – so entstand der WIRTSCHAFTSSPIEGEL.
Sie sind ja gebürtiger Rheinland-Pfälzer … Genauso ist es. Im Dezember 1989 bin ich nach Thüringen gekommen. Es war mein erster Schritt auf dem Weg in eine neue Welt, der mich in Mitteldeutschland an einige Orte führte. Aber Thüringen hatte für mich immer etwas Besonderes. Ich habe versucht, meinen Beitrag zum Aufbau eines erfolgreichen Standortes zu leisten und diesen auch über die Grenzen hinweg bekannt zu machen.
Etwas Besonderes? Was hat Sie mit Thüringen, mit dem Wirtschaftsstandort verbunden? Dass die Thüringer Unternehmerschaft ähnlich tickt, wie die in meiner Heimat: mittelständisch geprägt, bodenständig und technologieinteressiert. Es gibt nicht wenige herausragende Persönlichkeiten, Erfindungen und Unternehmungen – aber der Thüringer selbst stellt sein Licht unter den Scheffel. Das ist bisweilen unglücklich. Was ich betonen muss ist, dass man hier die wenigsten Ausfälle hat. Hier gilt das gegebene Wort.
Sie begleiten Thüringen also seit mehr als 30 Jahren. Wie hat sich das Land entwickelt? Das will ich ganz kurz machen: Die Wirtschaft ist sprichwörtlich erwachsen geworden; professioneller. Der sich vollziehende Generationswechsel beschleunigt das. Die Unternehmer, die nach der Wende durchstarteten, gehen in naher Zukunft oder gingen bereits in den Ruhestand. Nun greift die nächste Unternehmergeneration an und das ist gut so!
Das führt zum Anlass des Gesprächs: Frau Keith, wann und wie sind Sie zum Verlag gekommen? Juliane Keith: 2006. Zuvor war ich Büro- und Galerie-Leiterin von Willibald Böck, Innenminister a.D. Herrn Meier lernte ich auch genau in dem Zusammenhang kennen – am Firmensitz von Galerie und Verlag – im gleichen Gebäude.
Wie war es, aus der Politik beziehungsweise Kunst in das Verlagsgeschäft zu wechseln? Groß war der Schritt zunächst nicht. Zur Büroleitung gehört organisatorisches Geschick, Timing und ein valider Umgang mit Fakten. Ich schloss parallel mein Betriebswirtschaftsstudium ab. Mein Hauptaufgabenfeld drehte sich – hier wie da – um Zahlen.
Spannend war für mich der Einstieg ins neue Metier trotzdem: Meine Leidenschaft für Text und Hintergründe waren förderlich und die Redaktionskollegen willens, mich über die Schulter schauen und lernen zu lassen. Wenn man so will, ist ein Langzeit-Volontariat daraus geworden, ohne Redakteur zu werden. Das große Ganze hat mich mehr gereizt. Ich bekam schnell gespiegelt, wie wichtig unabhängige Informationen für Unternehmerinnen und Unternehmer sind. Mich fasziniert bis heute wie wir Herausforderung und Lösung, Angebot und Nachfrage, aber am Ende des Tages immer wieder Menschen zusammenbringen. So entstehen erfolgreiche Kooperationen, Lösungen für die Zukunft. Es macht mir Spaß, Themen interdisziplinär zu verbinden. Und das ohne Meinung, aber mit Haltung.
Was ist für Sie der Unterschied zwischen Meinung und Haltung? Meinung, Haltung und ich ergänze: Ahnung! Wir haben uns dem deutschen Pressekodex verschrieben, dazu eigene Werte formuliert, Regeln fixiert. Die persönliche Meinung eines jeden Mitarbeitenden ist unantastbar – hat aber in unseren Texten nichts verloren. Vicco von Bülow hat einmal gesagt: „Der Journalist hat zwischen den Stühlen zu sitzen, der Zuhörer entscheidet“ – das trifft´s! Das ist die Haltung. Neutralität, Unabhängigkeit und Aufzeigen von Fakten: Wir geben den Experten Raum für belastbare Aussagen, bilden aber auch Gegensätzliches in Form von „Pro und Contra“ ab. Dazu muss man aber Ahnung vom Gegenstand und seiner Bedeutung haben. Es gibt eine bedauerliche Tendenz in der Gesellschaft, die kann man mit vier Worten zusammenfassen: Viel Meinung, wenig Ahnung.
Da wir uns nicht unmittelbar an einer Schlagzeile abarbeiten müssen, können wir Wissen transportieren. Etwa ein Drittel jedes WIRTSCHAFTSSPIEGEL besteht aus Informationen über Innovationen und aus Wissenschaft und Forschung.
2013 wurden Sie Prokuristin des Fachverlags Thüringen, dieser Tage werden Sie auch Gesellschafterin und Herausgeberin für WIRTSCHAFTSSPIEGEL und WiYou. Was bedeutet das für Sie persönlich? Neben der gesellschaftsrechtlichen steigt natürlich auch die persönliche Verantwortung – worauf ich mich freue und gut vorbereitet bin. Natürlich war es zunächst der berühmte Perspektivenwechsel: vom Mitarbeiter zum Gestalter. Das war, das ist ein Prozess und der geht nicht von allein: Die Titel sind so stark wie das Team. Und – darf ich ein bisschen überziehen?! – ich arbeite für das beste Team der Welt.
Herr Meier, wie war es für Sie, jemanden im Haus zu haben, der Ihr Erbe antritt? Jürgen Meier: Sehr gut! Es war richtig, dass wir uns recht früh – vor etwa fünf Jahren – verständigt haben, dass Frau Keith den Verlag übernehmen wird. So ist es für niemanden ein Sprung ins kalte Wasser. Ich wusste schon damals, dass sie es kann. Sie ist ein kluger Kopf, sehr engagiert, hat die Begabung, Mitarbeiter zu begeistern, zu führen und vor allem hat sie ein Ziel.
Zudem habe ich frühzeitig Verantwortung an meine Mitarbeiter abgegeben. Meine Erfahrung ist, dass Menschen nur lernen, wenn sie Dinge selbst machen können. Dazu muss man Vertrauen schenken und eine gesunde Fehlerkultur akzeptieren. Außerdem lebt man dann gesünder. Die Rolle des Chefs ist ja nicht nur Druck, die macht auch Spaß.
Was hat Ihnen als Chef am meisten Spaß gemacht? Viel! Das Beste war das Gestalten. Das Gestalten mit fähigen, begeisterten Mitarbeitern. Wenn wir eine gemeinsame Idee hatten, die dann ein gutes Ergebnis brachte – das war stark.
Welche Aufgabe hat der WIRTSCHAFTSSPIEGEL in Zeiten von Karrierenetzwerken, sozialen Netzwerken und anderen digitalen Austauschmöglichkeiten, Frau Keith? Wir schaffen Content. Die Kanäle, über die wir heute aussteuern, können morgen andere sein. Wir bringen echte Informationen zu unseren Leserinnen und Lesern.
Haben Sie eine Vision für die nächsten fünf Jahre? (lacht) Ich habe derzeit vier verschiedene Szenarien an meinen Whiteboards. Ich bin gern vorbereitet.
Können Sie genauer werden? Den WIRTSCHAFTSSPIEGEL als Marke in die nächste Unternehmergeneration zu tragen, ist aktuelle Aufgabe. Was WiYou.de betrifft, passiert gerade etwas Wunderbares: Die Partner in den Personalabteilungen, die WiYou.de für ihr Ausbildungsmarketing nutzen, kennen das Magazin von ihrer Berufsorientierung aus der Schule. Das macht unglaublich stolz, zeigt aber auch, welche Verantwortung wir haben und dass wir keine Greenhorns mehr sind.
Für beide Titel gilt: Wir wollen in Thüringen in unserem Segment die Nummer eins bleiben und diese Rolle ausbauen.
Herr Meier, was wünschen Sie sich für die Zukunft des Verlages? Jürgen Meier: Erfolg – das ist natürlich klar. Ein gutes Gefühl für die richtigen Themen. Und ich wünsche mir, dass das Team die Titel und den Verlag weiterentwickeln kann. Die Chancen sind da, aber wir brauchen noch ein paar gute Mitstreiter, die das Team ergänzen.
Und Sie Frau Keith, was wünschen Sie sich für Herrn Meier? Juliane Keith: Gesundheit. Zeit. Zeit für Gespräche, auch mit uns. Und Zeit mit seinem Sonnenschein, der kleinen Enkeltochter.
Interview: Paul-Philipp Braun